Im Jahr 2020 ist der Kongress ausgefallen und 2021 konnte er im üblichen Zeitraum, 20. bis 23. Mai nicht stattfinden. Die pandemiebedingten Aussichten wurden zum Spätsommer besser erwartet, daher plante das BfDT (Bündnis für Demokratie und Toleranz) den Kongress vom 30. September bis zum 3. Oktober. Der 3. Oktober, als Tag der Deutschen Einheit nach der Wiedervereinigung auch ein geschichtlich wichtiges Datum bildete heuer den Abschluss, wenn auch leider ohne die Verleihung der Anerkennungen „Botschafter für Demokratie und Toleranz“.

Wir haben uns sehr gefreut, dass wir wieder einmal anreisen durften. Der Kongress fiel mit ca. 240 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, statt sonst um die 400, kleiner aus. Um unseren Leser:innen einen Überblick zu verschaffen, kommen jetzt unsere diesjährigen Teilnehmer zu Wort:

Juko 2021 – Ankommen… mit Mouna Nifer

In diesem Jahr hatten wir das Glück, am Jugendkongress für Demokratie und Toleranz teilzunehmen. Morgens am 30. September, bewaffnet mit unseren Impfpässen, Ausweisen, Brotzeit und Taschen, nahmen wir den ICE vom Nürnberger Bahnhof und waren auch schon nach etwa drei Stunden in der Hauptstadt. Vom angenehmen Wetter empfangen, durchwanderten wir den mehrstufigen Bahnhof, um zu unserer Unterkunft zu gelangen. Kurz nur „frisch gemacht“, sind wir schon zum Veranstaltungsort, dem bcc am Alexanderplatz unterwegs gewesen. Dort angekommen, wurden unsere Impfnachweise erstmal gecheckt, dann wurden wir in einen großen Raum geführt, wo wir kleine Werbegeschenke wie ein T-Shirt mit der Aufschrift Juko2021 in einer Tasche mit weiterem Kleinkram sowie ein Armband für den Tag bekamen. Wir sind dann in einem großen Saal mit einer interessanten Deckenbeleuchtung (s. Foto), von der Band BlechWiese und den Veranstaltungsorganisatoren empfangen worden, wobei uns der Ablauf der nächsten Tage erklärt wurde. Nach dem Abendessen und einem genaueren Plan über die Workshops und die Außenforen die wir besuchen durften und einem ersten Eindruck von Berlin ging es zurück in unser Hotel. 

„Der Stasi auf der Spur mit einer Zeitzeugin“

Ich habe an dem Außenforum „Der Stasi auf der Spur“ mit einer Zeitzeugin teilgenommen und war sehr positiv überrascht. Ich bin -in eisiger Morgenkälte- mit einer Gruppe junger Menschen zum Stasi Museum gefahren und habe schon auf dem Weg dorthin tolle Persönlichkeiten kennen gelernt. Ich war auf dem Gelände, wo sich das Archiv der Stasi befindet und dem Ort an dem alles, rund um die sog. Staatssicherheit beschlossen wurde. Die Zeitzeugin erzählte uns viel Geschichtliches, z. B. wie Sie die Zeit in jungen Jahren erlebt hatte und wozu all die Gebäude, die sich über mehrere Kilometer erstreckten, genutzt wurden. Wie Geruchsproben von Menschen ohne deren Wissen entnommen, wie Kinder schon manipuliert wurden und dass der eigene Freund oder sogar die Familie dich bespitzelt hatte, damit die Stasi ihre Informationen erhielt. Ein Besuch im heutigen Stasi-Museum war auch dabei, dort hatte man weitere zusätzliche Eindrücke mitnehmen können, zum Beispiel Bekleidung der hauptamtlichen Stasi-Bamten und die Räumlichkeiten in denen sie arbeiteten. Insgesamt hat mir dieser Workshop am besten gefallen, weil ich meine Fragen stellen konnte, enorm viel Neues dazu gelernt habe und gleichzeitig eine Mischung aus dem Vorgetragenen und dem Selbsterkunden gegeben war. 

Was wir nicht mitbekommen hatten war, dass es eine Crew gab, die uns während der Tage gefilmt hatte. Dazu mehr im Film auf youtube, Link am Ende des Berichtes.

JuKo 2021, Außenforum Gedenkstätte Hohenschönhausenbesucht von Lennart Heßler

Am 1. Oktober habe ich gemeinsam mit einer Gruppe junger Kongressteilnehmer, die ehemalige Haftanstalt Hohenschönhausen im gleichnamigen Stadtteil Berlins besucht, etwa 45 min vom bcc entfernt. Zunächst betraten wir den ehemaligen Verwaltungstrakt, der auch heute der Verwaltung des Museums dient, um uns einer kleinen Geschichtsstunde zu widmen. Was war überhaupt die DDR und deren Ideologie? Wie kam es zur Spaltung Deutschlands und was unterschied die beiden deutschen Staaten? Was sind Sozialismus und Kommunismus und deren Feindbilder? Warum war und ist es nötig, eine solche Haftanstalt zu unterhalten? All diesen Fragen widmeten wir uns bevor die eigentliche Führung durch den Gefängniskomplex begann.

Ursprünglich wurde das Haupt- und Verwaltungsgebäude schon 1938 von den Nationalsozialisten erbaut. Allerdings nicht als Gefängnis, sondern als Großküche um die ärmere Berliner Bevölkerung zu versorgen. Nach Kriegsende 1945 übernahm die rote Armee das Gebäude und funktionierte es zu einem Untersuchungsgefängnis um. Vor allem wurden hier ehemalig Nazifunktionäre aber auch politische „Feinde“ des Kommunismus festgehalten. Die Zellen befanden sich damals im Keller des Gebäudes im sogenannten „U-Boot“. Der Name rührt daher, dass es sich um einen langen Gang ohne Tageslicht handelt, von dem rechts und links die Hafträume angehen. Außerdem war es, wegen fehlender Lüftungsanlagen, extrem feucht. Sämtliche Fenster wurden nicht nur vergittert, sondern vollständig mit Blech verkleidet, während innen immer Licht brannte, sodass die Inhaftierten nicht wussten welche Tageszeit es ist. Das „U-Boot“ vermittelte mir auch heute noch ein sehr bedrückendes Gefühl. Vor allem als der Museumsmitarbeiter von den schrecklichen Haftbedingungen erzählte, vom Verbot, sich hinzulegen, den knappen Nahrungsrationen, fehlender Hygienemöglichkeiten und Klimatisierung und zuletzt den brutalen Verhören die nicht selten mit Gewalt einhergingen. Bei all diesem Horror haben viele irgendwann ein Geständnis unterschrieben, das sie oft nicht verstehen konnten, nur um endlich wieder ans Tageslicht zu kommen, auch wenn das oft den Tod oder mindestens ein Arbeitslager in Sibirien bedeutete.

All das blieb 6 Jahre lang so, bis das Gefängnis 1951 an die DDR bzw. das Ministerium für Staatssicherheit (Stasi) übergeben und zur zentralen Untersuchungshaftanstalt der DDR wurde. Die Haftbedingungen und vor allem die Verhöre wurden etwas milder, aber erst 1953 nach dem Volksaufstand vom 17. Juni, merkte man, dass der aktuelle Bau völlig unzureichend war und etwas verändert werden musste. 1961 wurde dann der Gefängnisneubau hinter dem Verwaltungsgebäude eröffnet. Inzwischen war auch das gesamte Gelände um die Haftanstalt von der Stasi übernommen worden sodass sich das Gefängnis nun im inneren einer militärischen Sicherheitszone, völlig von der Außenwelt abgeschnitten, befand. Das „U-Boot“ wurde danach glücklicherweise nur noch als Lagerstätte genutzt, während alle Häftlinge in Einzelzellen im Neubau untergebracht waren. Auch die körperliche Gewalt fand, zumindest offiziell, ein Ende. Die Wärter trugen auch keine Waffen mit sich. Dafür fand „Gewalt“ auf einer psychischen Ebene statt. Häftlinge hatten absolut keinen Kontakt zueinander oder der Außenwelt, durften sich nicht einmal in die Augen sehen und wurden nie mit ihrem Namen, sondern einer Nummer angesprochen. Zum absoluten Nichtstun in Einsamkeit verdonnert warteten sie oft Wochen oder Monate auf ein Verhör. Und die Beamten die diese durchführten, meist studierte Psychologen, wussten diese Umstände sehr gut zu nutzen, um den Willen des Insassen zu brechen. Zunächst waren auch unter der Stasileitung vor allem politische Gegner inhaftiert. Später veränderte sich dies und viele kamen her, weil sie versucht hatten aus der DDR in den Westen zu fliehen, aber daran gescheitert waren. Die Vorstellung für ein gewissermaßen so nichtiges Vergehen eine solche Behandlung zu erfahren ist für uns schockierend. Und auch die Tatsache, dass die Anzahl der Verhörzellen etwa so groß ist wie die Zahl der Haftzellen, zeigt wie paranoid der Staatsapparat der DDR war. Erst 1990, nach dem Mauerfall und dem Ende der DDR und nachdem einige Stasiangehörige wie zum Beispiel Erich Mielke der ehemalige Minister für Staatssicherheit selbst kurzeitig hier inhaftiert waren, wurde die Haftanstalt geschlossen und zu einem Museum. Ich bin wirklich froh, dass man diesen Ort heute nur noch als Besucher betreten kann.

Extremismus was ist das eigentlich genau? Workshop besucht von Jeanne Benning

Wie schleicht sich Extremismus in unseren Alltag? Wie geht unsere Gesellschaft und unsere Politik mit Extremismus um? Diesen Fragen war ich in dem Workshop „Planspiel Demokratie und Extremismus“ auf dem Jugendkongress 2021 zu Demokratie und Toleranz auf der Spur. In diesem Workshop durften wir uns zusammen mit einer Kriminologin in verschiedene Perspektiven des Extremismus es hineinversetzen. Zu dem erhielten wir viele interessante Informationen zum Beispiel wie einfach sich Extremistisches Gedankengut in die Gesellschaft einfügt und auch nicht auffällt, dies erfuhren wir anhand eines rechtsextremistischen Werbevideos das absolut nicht als solches auf uns wirkte.

Im Verlauf des Workshops wurden wir verschiedenen fiktiven Gruppen zugeordnet: Demokraten, Rechtsextremisten, Linksextremisten und muslimische Extremisten um dann schließlich das Planspiel durchzuführen. Dabei ging es um ein Dorf in dem von der jeweiligen extremistischen Gruppe eine Demonstration geplant wurde. Nun sollte innerhalb einer Versammlung eine gemeinsame Basis geschaffen werden um Eskalationen zu vermeiden und die Bürger des Dorfes zu schützen. Dabei stellten die Demokraten die Vertretung des Dorfes da. Im Laufe des Spieles wurde mir sehr bewusst wie präsent und gegenwärtig der Extremismus ist und wie leicht die Instrumentalisierung in die verschiedenen politischen Lager funktioniert. Auch die Grenzen des Extremismus verschwimmen sehr leicht, wo beginnt Extremismus- wo hört Extremismus auf- wo beginnt die freie Meinung? Gehört Extremismus auch zur freien Meinungsäußerung oder doch schon bzw. ausschließlich zur Beeinflussung?

Stadtspaziergang - „Berlin als Erinnerungslandschaft“ dabei war Domenick Cecco

In diesem Außenforum des Jugendkongresses durften wir Berlin und dessen Denkmäler erkunden. Bei diesem Stadtspaziergang ging es um eine Führung zu den geschichtsträchtigsten Denkmälern in Berlins Mitte, alle in der Nähe des Regierungsviertels. Wir starteten gleich am Holocaust-Denkmal, direkt am Brandenburger Tor um die Ecke. Die 2711 Betonstelen sind auf einer Fläche von ca. 200 x 100m angeordnet. Nebenbei erfuhren wir, dass sich gleich auf der anderen Straßenseite unter einem Parkplatz der „Führerbunker“ befand. Die Stelle ist an einer Tafel beschrieben, aber es bleibt ein Parkplatz und bekommt natürlich keinen Denkmalstatus. Andere leidtragende und ermordete Menschengruppen während der NS-Zeit erhielten ebenfalls in unmittelbarer Nähe Denkmäler:

  • die verfolgten homosexuellen Menschen
  • Sinti und Roma
  • Denkmal für die Opfer der Nazi-Euthanasie-Morde

An den Denkmälern selbst wurde uns eindrucksvoll die Geschichte jener verfolgten Volksgruppen nähergebracht.  Auch die Zusammenhänge zwischen Opfer und denkmalerischer Darstellung durften wir durch Selbstinterpretation und Konversation in der Gruppe herausfinden. So, nach so viel Lesestoff gibt’s hier den Zusammenschnitt der Ereignisse rund um den Kongress: https://www.youtube.com/watch?v=MYucbAabYV0

Bericht: Michael Heuer, FreiZeitZentrum

Die Kuppel im bcc, dem Kongressort

Multireligöser Gottesdienst in der Marienkirche

Unsere Teilnehmer:innen

Vor dem Schloss Bellevue (Sitz des Präsidenten)