2017 feelspace01Jedes Kind lernt im Lauf seines Lebens, dass der Mensch sieben Sinne hat. Die Firma Feelspace erkannte, dass uns die Zugvögel einen Sinn voraus haben und bildeten so ihre Grundlage des Projekts. Zugvögel besitzen den Kompass-Sinn. So haben sie nie ein Problem, zum nach Süden oder Norden zu fliegen. Wir Menschen können das nicht. Dreht man uns mit geschlossenen Augen dreimal im Kreis, wissen wir meist nicht mehr, aus welcher Richtung wir eigentlich kommen. Seit 2005 forschen zwei Schwestern an der Universität Osnabrück an genau diesem Projekt: Menschen den Kompass-Sinn, also den sogenannten achten Sinn, zu verleihen. Dafür wurde ein Gürtel entwickelt, der durch insgesamt 16 Vibrationsmodule eine neue Möglichkeit der Orientierung schafft.

Am 19. Mai 2017 waren die beiden Entwicklerinnen Susan und Julia Wache der Firma Feelspace zu Gast im bbs nürnberg und luden insbesondere blinde Menschen ein, den neuesten Entwicklungstyp zu testen. Eine zahlreiche Gruppe fand sich unter Anleitung von Ines Hübschmann und dem Team des Reha-Bereichs im Goldenen Saal ein. Mit einer Anfangspräsentation wurde über Feelspace erzählt, deren Informationen oder Newsletter sich auch auf ihrer Website entnehmen lassen. Im Anschluss war die Gelegenheit, alle Fragen los zu werden. Feelspace glaubte selbst zu Beginn kaum, dass dieser Gürtel auch mal für blinde Menschen Vorteile bieten könnte. Zunächst war er nur darauf ausgerichtet, einen Menschen immer zu zeigen, wo Norden ist. „Wir haben schnell gemerkt, dass der Gürtel noch mehr Potenzial hat. Was bringt es uns, wenn wir nur wissen, wo Norden ist?“, erklärte eine der beiden Schwestern und machte damit die Überleitung zur Navigation mit ihrem Gürtel.

Mein Name ist Francesca Di Nato. Ich bin selbst blind und möchte in Kurzfassung erläutern, wie gut sich der Gürtel für blinde Menschen eignet.

In der Diskussionsrunde beschäftigten mich natürlich einige Fragen, nicht zuletzt auch, ob der Gürtel anfällig für Magnetismus ist. Leider bringt man tatsächlich auch diese Art Kompass mit Magnetismus durcheinander, also möglichst fern davon bleiben. Doch der Rest fiel mir sehr positiv auf. Der Stoffgürtel ist in allerlei Größen und tollen Farben erhältlich und nicht besonders auffällig an den Klamotten, ganz im Gegensatz zu den ersten Prototypen des Gürtels. Die sorgten übrigens sehr oft am Flughafen für Unruhe. Dieses Problem schnell erkennend, wurden die Gürtel kleiner und dünner. Das eingebaute Kästchen übernimmt die ganze Steuerung der Technik. Parallel dazu gibt es eine App, mit der man den Gürtel noch zusätzlich steuern kann. Bislang ist die App nur für Android-Betriebssysteme entwickelt. Ab Dezember 2017 soll dann auch iPhone-Usern unter iOS die Möglichkeit der App-Steuerung gegeben werden. Ich durfte gemeinsam mit den anderen Testpersonen auf das Gelände und eine Runde mit Begleitung drehen. Anfangs waren die Vibrationen ungewohnt und erschraken einen kurzweilig. Doch auch die Vibrationsstärke lässt sich schnell und einfach ändern. Als mir der Gürtel umgelegt wurde, ging es auch schon los mit der Runde.  

Wenn der Gürtel direkt an meinem Bauch vibrierte, signalisierte er mir, dass ich geradeaus gehen muss. Durch die intensiven und genauen Vibrationspositionen konnte ich sofort die Abweichung meiner Linie feststellen. Ein Vibrieren an der rechten Hüfte verstand mein Gehirn sofort. So bog ich nach rechts, so lange, bis die Vibration wieder direkt am Bauch war. Nun wusste ich, ich kann wieder beruhigt geradeaus gehen und bin nicht zu viel oder zu wenig nach rechts gebogen. Es ist keine besondere Übung notwendig und das Tollste ist, dass unser Gehirn automatisch die Signale wahrnimmt und die Information „rechts abbiegen“ dadurch viel schneller verstanden wird. Würde man nur auf einen Assistenten hören, träten Reaktionsverzögerungen auf, da die Nervenbahnen länger sind. Künftig plant Feelspace in der App eine wesentliche Navigationserweiterung. Die bekannten Apps Blindsquare oder Navigon sollen dann mit dem Gürtel interagieren. Unabhängig dieser Navigations-Apps kann der Gürtel von Feelspace für 800 Euro erworben werden. Der Gürtel selbst bekommt schon bald eine Spracheingabemöglichkeit sowie eine Menüführung durch eine Sprachausgabe. So können blinde Menschen bei Bedarf zur zusätzlichen Sprachassistenz auf die Vibrationen am Körper achten, um noch schneller und präziser an ihr gewünschtes Ziel kommen zu können. Ich persönlich würde mir dann eine Anschaffung dieses Gürtels überlegen, wenn die iOS-App in ihrer Vollständigkeit entwickelt wurde und stabil funktioniert. Doch im Fazit fand ich das Handeln aller Testpersonen beeindruckend. Sie reagierten sofort auf die Richtungsanweisungen des Gürtels und gingen sicher durch das Gelände.

 

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Text: Francesca Di Nato