Frau Kugel von der deutschen Presseagentur hatte viele Fragen, die in zahlreichen Interviews beantwortet wurden. Mitglieder des bbs-ensembles sind derzeit Julia Besch (Gesang, 1. Jahr), Yevgenij Davydov (Gitarre, 2. Jahr), Mario Krügerke (Piano, Schlagzeug, 1. Jahr), Sebastian Küpfer (Bass, 2. Jahr), Daniela Schwendinger (Gesang, 3. Jahr) und als Ehemalige Andreas Vornehm (Piano, Schlagzeug), Zilvinas Voinas (Piano). Maria Meth leitet das bbs ensemble schon seit Jahren und führt sie sehr erfolgreich von Auftritt zu Auftritt in der Metropolregion Nürnberg sowie in Süddeutschland. Der Artikel wurde in über 40 Zeitungen und Zeitschriften in Deutschland sowie sogar in einigen englischsprachigen Zeitungen in einer übersetzten Version veröffentlicht.

Angelika Gradel


27.10.2009
Von Ira Kugel, dpa

Nürnberg (dpa) - Früher hat er einfach nach Gehör gespielt. Sein Klavierlehrer klimperte ihm ein paar Töne vor - und kurze Zeit später konnte er das komplette Stück auswendig.
«Das ist jetzt aber vorbei. Hier wird aufs Notenlesen großen Wert gelegt», sagt der blinde Mario Krügerke. Seit wenigen Wochen besucht der 26-Jährige Deutschlands einzige Musik-Berufsfachschule für Blinde und Sehbehinderte, an der er zum Chor- und Ensembleleiter ausgebildet wird. Von der Schule in Nürnberg hat der dunkelhaarige Musiker, der von Geburt an nicht sehen kann, bei seiner Ausbildung zum Klavierstimmer erfahren: «Es spricht sich unter den ganzen Blindis rum, welche Einrichtungen es für Leute wie uns gibt», erzählt er.
Eine Besonderheit an der Berufsfachschule ist, dass die derzeit sechs Blinden und Sehbehinderten gemeinsam mit Sehenden unterrichtet werden. «Die Schulgenehmigung sieht vor, dass mindestens die Hälfte der Schüler sehgeschädigt sein muss», erklärt die stellvertretende Schulleiterin Angelika Gradel. Krügerke denkt, dass vor allem die Sehenden von dem gemeinsamen Unterricht profitieren: «Sie lernen Berührungsängste abzubauen.» Gradel glaubt vielmehr, dass sich die Schüler gegenseitig bereichern: «Die Blinden müssen sich in unserer Welt behaupten. Hier lernen sie den Umgang mit sehenden Musikern, das ist auch für ihr späteres Berufsleben wichtig.»

Insgesamt zwei Jahre dauert die Ausbildung zum staatlich geprüften Chor- beziehungsweise Ensembleleiter. «Danach können sie noch ein drittes Jahr machen, in dem sie sich zum Sing- und Musikschullehrer weiterbilden», sagt Gradel. Aber auch ein künstlerisches Jahr sei möglich, um sich auf das Studium an einer Musikhochschule vorzubereiten.

Voraussetzung, um an der Berufsfachschule angenommen zu werden, sei allein Talent, sagt Gradel. «Die Schüler sollten schon vorher Musikunterricht gehabt haben.» In einer Aufnahmeprüfung werde dann darüber entschieden, wer dabei ist und für wen es leider nicht gereicht habe. Je nach Ausbildungsjahr paukten die Schüler wöchentlich zwischen 20 und 32 Stunden Fächer wie Gehör- und Stimmbildung, Musikgeschichte oder Tonsatz. Auf dem Lehrplan der Blinden und Sehbehinderten steht zusätzlich das Notenlesen in Brailleschrift.
«Generell wird der Stoff für die Blinden und Sehenden unterschiedlich aufbereitet», sagt Ensembleleiterin Maria Meth. Alle Texte und auch die Noten würden den Blinden und Sehgeschädigten in Blindenschrift «übersetzt». «Die technischen Möglichkeiten sind fortgeschritten und machen vieles leichter», erklärt Krügerke. Ein spezielles Computerprogramm mache es möglich, dass sich Noten in Blindenschrift umsetzen ließen.

Allerdings sei das Erlernen des Dirigierens für Blinde schwieriger, erklärt der 26-Jährige, der davon träumt, später einmal als Berufsmusiker sein Geld zu verdienen. «Ich bewege mich da manchmal wie ein Roboter.» Um ein Gefühl für die weichen Bewegungen zu bekommen, würden Mitschüler oder Lehrer dann seine Arme beim Dirigieren führen. «Dafür sind wir im Hören besser», schildert Krügerke seine Erfahrungen. Viele der Blinden und Sehbehinderten hätten das absolute Gehör, bestätigt die Ensembleleiterin. Damit sei es ihnen möglich, Töne exakt zu bestimmen.

Seit sieben Jahren probt Meth ein Mal wöchentlich mit dem Ensemble, das aus Schülern der drei Jahrgangsstufen besteht. Auch Krügerke, der E-Piano spielt, ist Teil der gut gelaunten Truppe. Die gemeinsamen Proben würden sich vor allem in einem Punkt unterscheiden, erklärt der Sehende Yvgeniy Davydov: «Es wird viel geredet, weil man sich gegenseitig keine Zeichen geben kann.» Deshalb müsse genau abgesprochen werden, wer bei welchem Takt einsetze. «Es ist eine reine Teamarbeit», sagt Meth.

Musiknoten in Braille lesen

Ein sehbehinderter Schüler der Berufsfachschule für Blinde und Sehbehinderte in Nürnberg liest aus einem Notenbuch eine Klavierpartitur in Brailleschrift. (Bild: dpa)